Bürger von Calais (Hüllen)
Im Juni 1346, während des Hundertjährigen Kriegs, fiel der englische König Eduard III. in Frankreich ein. Der Stadt Calais drohte die bedingungslose Kapitulation, die Plünderung und völlige Zerstörung.
Um dies zu verhindern,
sagt die Chronik des Jean Froissart, stellten sich sechs der
angesehensten Bürger Calais, Eustache de Saint-Pierre, Jean
d’Aire, Jacques und Pierre de Wissant, Jean de Fiennes und
Andrieus d’Andres freiwillig als Geiseln zur Verfügung.
Sie sollten barfuß, nur mit Büßerhemd bekleidet und
mit einem Strick um den Hals, vor den englischen König treten,
der sie als Vergeltung für eigene Verluste hinrichten wollte.
Nur die Fürbitte der anwesenden englischen Königin Philippa
von Hennegau soll die sechs Männer gerettet haben.
Rilke attestiert Rodins Version der Plastik begeistert:
"Diese Macht, Vergangenes zum Unvergänglichen zu erheben" ...
Ungewissheit bestimmt den Moment, in dem wir heute Gnade vor der Natur zu finden hoffen. Da stehen wir also wieder im Hemd mit Strick um den Hals, abhängig, diesmal ohne viel eigenes Gewicht ... wir persönlich, an unsere Techniken geknüpfte, leere Hüllen auf vakuumierten Resten..
Das ist aber auch schon alles an Parallele.
Ratloses Rauschen ersetzt die Fürsprache einer abwesenden Königin. Uns an die Namen irgendwelcher Heroen zu erinnern nützt nichts. Das Heroische eines Selbstopfers und die Möglichkeit der Vertretung aller durch einige wenige ist ausgefallen. Biometrische Daten (also der Nachweis des nahen Todes) sind an die Stelle von Namen getreten.