monika m. seibel


            
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Dr. Franz Rieder:

Sic transit gloria mundi



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Monika M. Seibel ist eine Fotografin, deren Gesamtwerk an zeitgenössischer Fotografie einen enormen Umfang aufweist. Geordnet nach „Zyklen“ zählt es einige Hundert Arbeiten allein auf ihrer Webseite.

Ebenso reichhaltig sind die Themen ihrer Arbeiten: Architektur, Natur, Stillleben, Abstraktion, eine lange Reihe thematischer Schwerpunkte, die den Umgang mit ihrem Werk, prima vista, nicht leicht erscheinen lassen.

Und es geht auch nicht leicht von der Hand, sich mit den Arbeiten von Monika M. Seibel auseinander zu setzen. Zum Glück sind viele Ihrer Arbeiten auf den ersten Blick einfach schön, nehmen einen mühelos mit ins Bild, von einem Bild zum nächsten. Aber man kommt zurück, schaut genauer hin. Garantiert.

Zyklus: Kornspeicher.

Die klassische Schönheit des architéktōn in Industriebauwerken.

monika_m_seibel_kornspeicher_0870.jpg    Dass sie in der Lage ist, hochgehandelte Wegmarken der Kunstfotografie, selbst die derzeit viel beachteten Arbeiten der Architektur-Fotografie von Hilla und Bernd Becher in ihren eigenen Arbeiten fortzuschreiben, ist mehr als beachtlich.

In ihrem Zyklus: Kornspeicher ist der ursprünglich griechische Sinn von Architektur, wie er von Platon und Aristoteles in dem Wort-Kompositum von Arché und Techné gedacht wurde, als Baukunst fotografisch konkurrenzlos sichtbar geworden.
Was auf den Fotografien des Zyklus‘ an Schönheit aus dem Zusammenspiel von Linien, Flächen und Proportionen eines schlichten Industriebauwerkes uns vorgestellt wird, ist bestes architéktōn, fotografisch enthüllte, sichtbar gewordene, uralte Handwerkskunst. Und die Faszination der Entdeckung der Abstraktion, die in der Harmonie des relationalen Zahlenraums, entdeckt von den Griechen die Kunstgeschichte der Neuzeit maßgeblich bestimmte.

Dass Handwerk Kunst sein kann, will jede Architektur-Fotografie darstellen; hier ist die Kunst der Baumeister gleichzeitig aber auch zu einem fotografisch monumentalen Mahnmal, einem memento mori zunehmend verschwindender Handwerkstraditionen aufgerichtet.

Wenn sich heute die meisten der Fotokünstler der berühmten Düsseldorfer Photoschule nicht mehr ganz der „Neuen Sachlichkeit“ verschreiben, sich vielmehr an einer nicht klar definierten Konzept-Kunstfotografie orientieren, hat Monika M. Seibel einen, ihren eigenen Weg aus dieser Tradition gefunden.
Ihre Kornspeicher setzen eine klare, neue fotografische Typologie industrieller Bauten in Gang. Flächen, Linien, Winkel der Bauwerke, Nuancierung der Farben und extrem klare Bildkomposition zeichnen eine maximal reduzierte, klare Schönheit industrieller Bauten, wie selten gesehen. Und ihre Arbeiten sind zugleich neben der Spurensuche der Schönheit von Techné, auch kulturelle Archäologien von Industriearchitektur wie auch Suche nach den Gründen deren schleichenden Verfalls.

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Erstaunt ist man ob der Tatsache, dass man auf den zahllosen, meterlangen Listen von Ausstellungen auf den einschlägigen Webseiten Monika M. Seibel eher vergeblich sucht. Das verwundert gerade in Zeiten, in denen die Teilnahme an Vernissagen als ein sine qua non für künstlerischen Erfolg bedeutet. Und eine endlose Schau künstlerischer Eitelkeiten ist. Eitelkeit ist das Stichwort für eines der ältesten Motive der Kunstgeschichte, das einige Foto-Zyklen von Monika M. Seibel auf eine herausragende künstlerische Weise reflektieren:

Vanitas.
Eins der ältesten Motive der Kunstgeschichte.

Vanitas, Vergänglichkeit und Nichtigkeit alles Irdischen, ist durchaus ein Thema zeitgenössischer Kunst. Im Spätwerk von Jean Tinguelys Mengele Totentanz wie auch bei anderen Arbeiten, zu sehen in einer viel beachteten Ausstellung von April bis August 2016 in Düsseldorf, nehmen die Themen Tod und Vergänglichkeit einen zentralen Platz ein.
Damien Hirst zitiert das Vanitas Thema mit seinen Werken Cow, Shark und anderen in Formaldehyd präparierten und in Riesentanks ausgestellten Tierkadavern, explizit natürlich mit Skull, dem zum börsentauglichen Glitzerschädel mutierten Totenkopf aus Platin und Diamanten, 75 Millionen US-Dollar gewertet.
Oder Andy Warhol, dessen nichtige, seriellen Kunst-Sujets gegen den überhöhten Wertanspruch der Kunst des 20. Jhd. antraten. Oder Prof. Lüpertz, dessen offen zur Schau gestellte Eitelkeit gleichsam als lebenszeitlange, kostenlose Dauerleihgabe zu seinen Werken vergänglicher Gottheiten imponiert.

Hirst und Warhol sind nur zwei Beispiele dafür, dass Vanitas heute einen positiven Sinn bekommen hat, der die Werke serieller Nichtigkeit und präparierter Kadaver zu den teuersten der modernen Kunst gemacht hat. Die Werke von Lüpertz folgen dem, aber mit etwas Abstand.

Die zeitgenössische Kunst als Ort der Verlässlichkeit des Scheins.

Gleichwohl stellt sich die Frage, wie denn dieser Paradigmenwechsel stattgefunden hat und warum? Monika M. Seibel zeigt in vielen ihrer Werke die Vergänglichkeit des Seins auf dem ersten Blick in drastischer Form.

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Was immer die Gegenstände auf diesen Fotografien sind, ihre Darstellungen sind drastisch, sie sind uns fremd. Auch wäre es unsere eigene Haut. Was die Fotografien von Monika M. Seibel aber nie sind: Darstellungen von Katastrophenszenarien in drastischen Überzeichnungen des memento mori. Wie die Gedichtsammlung Les Fleurs du Mal von Charles Baudelaires, literarischer Prototyp „moderner“ Vanitas-Literatur, die Schönheit des Hässlichen entdeckte, bleibt auch in Monika M. Seibels Fotografien immer dieses Leuchten vergangener Schönheit damit und ein wenig vom Fetischismus der Warenwelt sichtbar. Als ein Zeichen des carpe diem.

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Memento mori und carpe diem…

sind die wohl bekanntesten und heute kaum noch bedeutenden Sinnsprüche einer mittelalterlichen bis barocken Vanitas-Auffassung. Horaz ließ in seiner gleichnamigen Ode Leukonoë diese Worte sprechen, die aber weit weg waren von dem vergnüglich hedonistischen Verständnis, aus dem Leben ein Fest der Sinne und Vergnügungen zu machen, wie das in der Moderne geschah. Ihre Worte waren epikureisch, Worte der Besinnung auf ein einfaches, erfülltes, diesseitiges und also nicht vertagtes Leben – in der Welt sein.

Monika M. Seibel fotografiert Dinge des alltäglichen Lebens. Hier Stoffe, Kleidungsstücke, Symbole unserer Warenwelt, oft Fetische von Erfolg, Standes- und Gruppenzugehörigkeit, Signaturen des Besonderen, von Individualität und Subjektivität. Nun modernde, zerrissene Fetzen, ausgelaugte Reste unseres Konsumreichtums, fotografische Kreuzigungsszenen moderner Ökonomie. Der Zyklus erinnert an Warholsche Serialität, braucht sie aber nicht. Jedes steht auch einzeln als ein Werk für sich, ist auch motivisch kein bloßer Farbwechsel.

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Viel mehr noch als das zeigen die Arbeiten die Ausweglosigkeit und die ganze Ambivalenz des schönen Scheins. Sowohl des Gegenstandes als auch des Symbols. Die Nichtigkeit der Warenwelt, der Verfall von Überfluss und Wohlstand sind aber nur die Oberfläche, schwerer wiegt, dass Kunst ihren Triumph über das in der Welt sein hier nicht feiert. In diesen Fotografien bleiben jene Melancholie und Ohnmacht, die das Vanitas-Motiv seit Anbeginn an tragen.

Was bleibt, wenn „alles fließt“, wusste schon Platon in großer Nähe zu Heraklit zu sagen: nichts Dauerhaftes. Die Klagelieder des Jeremias, die Wandmalereien in Pompeji, selbst die unerschütterliche Ataraxie der Stoa vermochte nicht, der Endlichkeit des Daseins zu entfliehen. Ohnmacht und Melancholie blieben die Begleiter des Menschen und der Kunst wie Dürers Apokalyptische Reiter, mahnend dass der Mensch sich selbst seinen Untergang bereitet. Die Kräfte der Apokalypse stammen nicht aus Mangel, Mangel an Technik und Selbstbewusstsein. Sie entstehen in der gedankenlosen Maßlosigkeit moderner Selbstgefälligkeit, also aus Eitelkeit, die Mensch und Natur bis ins Letzte von Produktivität und Effektivität ökonomisiert. Ohnmacht und Melancholie finden in den Werken der Fotografin aber noch deutlich ihren verlassenen Ort in all‘ dem.

Die Boten der Apokalypse und die Unsterblichkeit der Kunst.

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Mit der Renaissance änderte sich langsam das Selbstverständnis von Kunst, bis es den Spruch des „Sic transit gloria mundi“ in sein Gegenteil übersetzte.

Galt im Griechenland von Platon, dass Kunst Täuschung ist, und indem die Kunst nachahmt, täuscht sie den, der das Abbild für die Wirklichkeit hält und gleichzeitig enttäuscht sie den, der den Unterschied bemerkt, denn dann hat die Kunst versagt.
Im Mittelalter, dass von der Vergänglichkeit allenfalls ein „Bild“ übrig bleibt wie „von der gestrigen Rose nur der Name“ (Bernhard von Cluny um 1140 n. Chr.), dass bei aller Virtuosität des Künstlers, die ja auch und gerade in der Vergänglichkeit und Nichtigkeit eine ihrer stärksten Quellen findet, der Künstler selbst wie seine Kunst vergeht, scheint heute das Kunstwerk und die Kunst unsterblich zu werden.

Besonders in den verlassenen Orten der Industrie, den Maschinenhallen und Werkstätten, Kauen und Kantinen bemächtigt sich die Kunst in ihrer modernen Zeichensprache der Graffities den einstigen Verheißungen des Industriezeitalters. Wie Natur die Anlagen überwuchert, transformiert Kunst die Geschichte von Arbeit und Kapital in Fresken der Postmoderne an deren Wänden.

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Der Glaube an die Unsterblichkeit der Kunst feiert auch mit jeder Auktion bei Sotheby’s und Christie’s ein neues Hochamt, doch was trägt ihn? Die Ohnmacht scheint der nie versiegenden Schöpferkraft, der künstlerischen Kreativität gewichen. Von Melancholie ist auf den Vernissagen am East River, Themse und der Spree nichts mehr zu spüren. Allenfalls etwas Neid auf die Kunstbesitzenden und deren Vermögen; aber Neid war kein Vanitas-Motiv.

Nein; gerade weil wir wissen, Künstler, Marktteilnehmer und Agenten wie auch das grundlos überbegeisterte Publikum, dass wir alle im selben Boot sitzen und dass der Mensch das Maß aller Dinge ist, können wir unser in der Welt sein gehörig feiern. Wenn eh‘ morgen alles vorbei ist, carpe diem und auf zur Kunst.

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Der Betrachter hat die „neue Sprache“ der Kunst gelernt; sie ist untouchable.
Der Zuschauer ist zwar nicht mehr anonym aber nach wie vor gebannt. Das barocke Theatrum mundi wird zur Video, ja zur Multimedia-Show, in der IT- und Ingenieurskunst zunehmend den grandiosen Part der Vanitas von Jean Tinguely ablösen.

Was hier noch ganz in der Tradition der Darstellung des Scheiterns und der Entlarvung unserer fatalen Maschinenhörigkeit stand, wird heute zum Festakt beim Eintritt in die virtuellen Welten mit Ewigkeitsphantasmagorien. Nur dass es keine Trugbilder mehr sind, sondern Installationen, die die Sehnsucht als Triumph über das Scheitern erheben – und, sehr bedauerlich, auch über den „Humor“ der Schweizer Wunschmaschinen.

Wolf Lepenies umschreibt diese moderne Art der Klage innerhalb der zeitgenössischen Belebungskunst: „Der Intellektuelle klagt über die Welt, und aus dieser Klage entsteht das utopische Denken, das eine bessere Welt entwirft und damit die Melancholie vertreiben soll.“

Wie einst im Erhabenen scheint in der Kunst sich heute menschliche Ohnmacht, Nichtigkeit und Vergänglichkeit zur Macht über das Schreckliche des in der Welt Seins zu träumen. Und dieses Sein wie der Wunsch, das Leben festzuhalten scheint käuflich.

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Monika M. Seibel zeigt nicht nur Schönheit als käufliche Ware und deren waste of time. Die „Sacchi“ – mühelos mit „Leichensäcken“ assoziiert – könnten vergessene Berufsbekleidung sein, von der Decke einer Wasch-Kaue im „Pott“ hängend, oder Ähnliches aus der durch die Fotografien freigesetzten Assoziationsketten.
Wie das Fett und das Fell in den Beuys’schen Installationen, Schlingensiefs projizierter, „doppeldeutiger“ Hase in seiner Parsifal-Inszenierung  2004 im Bayreuther Festspielhaus, ist der Tod mitten im Leben bzw. im wir-leben-noch des verletzten, todgeweihten Lebens, ein bedeutender Mitspieler. Und Mitspieler meint hier durchaus „Kausalität“, wirkende Ursache.

Der Ort der Vorstellungen und Phantasien.

monika_m_seibel_erntereste_1513.jpg    Der Tod beginnt mit der Geburt, schrieb einst Sigmund Freud und stellte sich damit in die Tradition der Daseins-Philosophie, die ihren Höhepunkt bei Heidegger fand. In der Seele der Menschen ist also der Tod im Leben als dessen Endlichkeit stets anwesend wie auch generell das Seelenleben seine Entwicklung aus der Wahrnehmung der Differenz von Anwesenheit und Abwesenheit gewinnt.

In der Psychoanalyse steht dafür das „Fort-Da-Spiel“ des Kleinkindes, in der Kunst gründet das Verhältnis von Anwesenheit und Abwesenheit in der Darstellung selbst.

Was sehen wir, wenn wir etwas sehen, scheint eine triviale Frage zu sein, ist sie aber nicht. Relativ schnell werden wir gewahr, das wir beim „zweiten“ Hinschauen oder beim Nachdenken über das Gesehene etwas ganz anderes sehen, als wir gerade meinten gesehen zu haben. Dass Dinge nie vollständig wahrgenommen werden können, weiß man. Was wir sehen sind immer nur fragmentarische Ausschnitte und Abschattungen und so steht jeder wahrgenommene Gegenstand auch in einer fundamentalen Beziehung zum Sichtbaren wie zum Unsichtbaren gleichzeitig. Beobachten können wir immer nur Oberflächen. Was hinter ihnen liegt, können wir uns prima vista nur vorstellen, denken oder wissen, aber unmittelbar nicht sehen. Um so wichtiger ist, dass Kunst uns dazu anregt, provoziert. Die Referenzen, die auf die Welt des Unsichtbaren hinauslaufen, sind in den Arbeiten von Monika M. Seibel vielfältig. Halbtransparente Abdeckungen, starke Lichtkontraste, Spiegelungen, Wucherungen von Rost u.a. sind solche Referenzpunkte, an denen sich Anwesenheit und Abwesenheit, Sichtbares und Unsichtbares brechen und unsere Vorstellungen und Gedanken freisetzen.

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Hat seit der Entdeckung der Perspektive, also der Darstellung des dreidimensionalen Raums, die Malerei alle Möglichkeiten gewonnen, die Vorstellungen von der Welt und des in der Welt sein des Menschen darzustellen, fehlt der Fotografie grundsätzlich diese Möglichkeit.

monika_m_seibel_haeutungen 3_0705.jpg     Was immer auch sie im Augenblick der Betätigung des Auslösers zur Darstellung bringt, und daran ändert sich auch nichts wesentliches, wenn Photoshop exzessivst zum Einsatz kommt, ein Foto ist immer eine Darstellung anwesender Wirklichkeit, die technisch nichts Abwesendes zur Wirkung bringt.

Die Kunst in der Fotografie ist, das „Fort“ zur Darstellung zu bringen, die Wirkung von etwas Abwesendem sinnlich erfahrbar, Abwesenheit in der Anwesenheit sichtbar zu machen.

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monika_m_seibel_portraits auf battist 1_005.jpg     Monika M. Seibel ist eine Meisterin darin. Ihre Arbeiten bewegen unsere Gedanken und Vorstellungen, hinterlassen emotional dichte Eindrücke. Sie haben energeia, wirkende Kraft, wie Aristoteles sagt.

In Teilen des modernen Kunst-Diskurses blüht wieder jene Auffassung auf, die behauptet, Kunst lasse uns etwas sehen, etwas Ursprüngliches, Authentisches, etwas Wahres und Originelles mit und nur mit den Mitteln der Kunst.

Noch einmal die zentrale Frage: Können Foto-Kunstwerke auf ihren Oberflächen dieses verborgene Sein überhaupt zur Anschauung bringen? Uns eine wahre Idee der Welt vermitteln?

Oder sind Kunstwerke, wie Sartre und Merleau-Ponty verstehen, nicht eher in dieser Paradoxie von Anwesenheit und Abwesenheit gefangen, sind transparente Platzhalter, die auf etwas verweisen, was eben nicht mit Mitteln der Kunst dargestellt werden kann?

Mir scheinen Sartre und Merleau-Ponty in die richtige Richtung zu weisen, zumindest wenn es um die hier diskutierten Arbeiten geht. Die Emotionen und Vorstellungen, die sie auslösen, sind gewiss in den Arbeiten von Monika M. Seibel nicht simple thematische Prejudice.

Manchmal erreichen sie uns auf eine äußerst verführerische, raffinierte Art im Spiel von Anwesenheit und Abwesenheit, dass die Fotografin mindestens virtuos versteht zu eröffnen und zu spielen. Platzhalter unserer Phantasien schmeicheln sie uns mit der Präsenz ihrer Sujets, die uns allen Raum und die Lust lassen, zu sehen was man mag, zu denken, was jeder einzelnen von uns will, auch zu glauben, was man eben glauben möchte.

Hinter die Kulissen der Illusion geschaut.

Die Antwort auf die Frage, ob Kunst uns die Idee der Welt vermitteln kann, fällt in den Arbeiten von Monika M. Seibel eindeutig negativ aus. Aber sie entschädigen uns für den Verlust der großen Idee reichhaltig, sind wie jene endlos lange Reihe bildhübscher, blühender Frauengestalten, die der Kunst zeitlebens als Musen dienten, vor uns exponierte Körper für Portrait und Aktstudien, unnahbar in ihrem verführerischen Sein als Projektionsfläche unserer Phantasien und Vorstellungskraft.

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Virtuos ist auch das Spiel bzw. der fotografische Umgang von Monika M. Seibel mit einem weiteren, zentralen Element der Vanitas-Motive, das früher als Trompe-l’œil, Illusionsmalerei bekannt war, nah verbunden ist mit dem Spiel von Anwesenheit und Abwesenheit und heute eine kleine Renaissance in der Fotografie erlebt.

monika_m_seibel_natur im spiegel_0208.jpg    Hier wirkt das Paradoxon des Wirklichen. Dies gründet im wesentlichen darin, dass Fotografie wie Kunst überhaupt Wirklichkeit nicht abbilden kann und durch eine Art „Dopplereffekt“ einerseits zwar das Artifizielle des Bildes, seine Aussage wie seine Komposition verstärkt, aber gleichzeitig eine „eigene“ Wirklichkeit schafft, wie das am deutlichsten erscheint, wenn Fotografie Kunst fotografiert.

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Im Trompe-l’œil wirkt Lebendigs tot, Flaches plastisch wie umgekehrt. Vermoderndes, Verwesendes fordert unsere Sinne heraus wie in Patrick Süskinds Roman: Das Parfum uns den extrahierten Duft aus den ermordeten Frauen auf äußerst extreme Art das verschwundene, ausgelöschte Leben der Frauen zur Vorstellung bringt.

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monika_m_seibel_ground zero_06658.jpg    Besonders der Horror-Film wie etwa das Schweigen der Lämmer bedient sich der Trompe-l’œil, ebenso auch bestimmte Arten der journalistischen Berichterstattung, wie wir sie etwa in den Bildern der Terroranschläge von 9/11 (11. September 2001) erleben durften, die durch eine apokalyptische Surrealität fast schon wie in den mittelalterlichen Vanitas-Symbolen die Bilder in die Vorstellung der Beherrschbarkeit von Katastrophen umschlagen ließen.

Wie immer auch, Monika M. Seibels Fotografien sind enorme Herausforderungen der Sinne und der Vorstellungskraft, nicht nur in eine Richtung, in der uns Schauer von Grusel und Schrecken über den Rücken laufen, sondern geradezu auch in die andere Richtung, wo wir spätestens beim zweiten Blick gewahr werden, dass eben nur der Schein des Dargestellten unheimlich scheint, hinter ihm sich aber eine recht unbedrohlich banale, beruhigende Realität enthüllt. Ganz sicher sein kann man sich dabei aber nicht immer.

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Und was on-top faszinierend ist, ist der ‚Blick hinter die Kulissen‘, den einige der Zyklen von Monika M. Seibel uns gewähren, in dem an die Stelle der Wirklichkeit etwas tritt wie das Making- of der Katastrophe, ein geradezu friedlich wirkendes technisches Know-how im Umgang mit Natur und Mensch, an dessen zahme und fast schon surreal schöne Bilder wir uns mittlerweile so sehr gewöhnt haben, dass selbst die Monstrosität der Technik uns vorkommt wie künstlerisch geschaffene Monumente der modernen Plastik und Bildhauerei.

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